Karte von Italien, von seinen nördlichen Grenzen bis Rom im 15. Jahrhundert

Eine aussergewöhnliche handschriftliche Karte des 15. Jahrhunderts auf einem Pergament

Im Gefolge von Marco Polos Reisen kam es im 14. Jahrhundert zum Aufschwung des Seehandels und zum Auftauchen von Seekarten in Italien, den sogenannten « Portulanen ». Diese Karten, die im Wesentlichen dazu dienten, die Häfen zu benennen und die zu befolgenden Richtungen festzulegen, waren sowohl durch die Windlinien (oder Loxodromen) gekennzeichnet, die sie durchzogen, als auch durch die Ausrichtung der Hafennamen parallel zur Küstenlinie. Diese Namen wurden auch mit grösseren oder kleineren Buchstaben geschrieben, je nach Bedeutung der jeweiligen Stadt. 

 

Die Bibliothèque nationale et universitaire besitzt eine Karte aus dem 15. Jahrhundert mit diesen Merkmalen, aber im Gegensatz zu den Portulanen, den Seekarten, ist es eine Landkarte, die Norditalien von seiner nördlichen Grenze bis nach Rom zeigt. Es handelt sich nämlich um ein besonders seltenes Beispiel einer handschriftlichen Landkarte, die in der Art eines Portulans angefertigt wurde.

Die handgeschriebene Karte wurde auf der Haut einer Sau angefertigt : die Ansätze der Glieder des Tieres sind deutlich zu erkennen. Sie zeigt die Seen, Flüsse und wichtigsten Städte, die durch realistische oder symbolische Gebäude unterschiedlicher Grösse dargestellt werden. So ist Rom zum Beispiel durch ein imposantes Gebäude mit drei Kirchtürmen vertreten, wahrscheinlich der Petersdom. Venedig ist am Markusdom zu erkennen, während Florenz mit einem Gebäude vertreten ist, das an den Palazzo Vecchio erinnert, aber auch viele andere Städte sind mit vergleichbaren Gebäuden abgebildet.

Wie ein Portulan ist diese Karte von Richtungslinien durchzogen, sechzehn Linien von Loxodromen, die ein enges Raster bilden, nach dem magnetischen Norden ausgerichtet ist. Der Knotenpunkt dieser Linien scheint auf die Stadt Arezzo zentriert zu sein, auf einer Achse, die Rom mit dem Comer See verbindet.

Die Herkunft und der Bestimmungsort dieser Karte sind leider unbekannt, es ist aber möglich, dass sie für einen wohlhabenden Kaufmann in Norditalien angefertigt wurde.

 

Autor : Frédéric Blin (Text veröffentlicht in : Trésors des Bibliothèques et Archives d’Alsace, unter der wissenschaftlichen Leitung von Rémy Casin, Jean-Luc Eichenlaub, Bernadette Litschgi, Claude Lorentz, Laurent Naas et Mathilde Reumaux, Éditions La Nuée Bleue / Éditions du Quotidien, in Co-Publikation mit dem Verein « Coopération régionale pour la documentation et l’information en Alsace », Strasbourg, 2017)

Bibliothèque nationale et universitaire, MS.1.816
Carte de l'Italie, depuis ses limites septentrionales jusqu'à Rome, 15e siècle