Praxis rerum criminalium, Josse de Damhouder, 1562

Praktisches Strafrecht in Bildern

Die Praxis rerum criminalium – also Praktisches Strafrecht - ist eines der am weitesten verbreiteten strafrechtlichen Werke des sechzehnten Jahrhunderts. Sein Autor, Josse de Damhouder (1507-1581), ist ein in Brügge geborener flämischer Jurist, der dort als Anwalt und später als Gerichtsschreiber am Strafgericht tätig war.

Der durchschlagende Erfolg des Buches verdankt sich weniger der Qualität der Ausarbeitungen, die teilweise mittelmässig und grösstenteils plagiiert waren, als vielmehr den neunundsechzig Holzschnitten - die alle im Exemplar der Universität vorhanden sind -, die die aufeinanderfolgenden Etappen der Verbrechensbekämpfung hervorragend illustrieren.

Einer von ihnen beschreibt eine Szene der gerichtlichen Folter : die Wasserfrage. An Händen und Füssen gefesselt auf einem Bock liegend, der Angeklagte muss eine grosse Menge Wasser zu sich zu bringen. Die gerichtliche Folter, die im 14. Jahrhundert im Westen eingeführt wurde, ist keine Strafe, die auf einen Schuldigen angewandt wird, sondern ein Beweisverfahren, das die Schuld eines Angeklagten durch die Erwirkung eines Geständnisses feststellen soll. 

Die Wasserfrage als ein Schauplatz der juristischen Folter

Die Durchführung der Befragung ist gesetzlich streng geregelt, da sie nur bei schwersten Verbrechen und bei Vorliegen von schwerwiegenden Beweisen eingesetzt werden darf. Die Frage, die nur einmal für dasselbe Vergehen verhängt werden konnte, unterlag der Aufsicht der Richter, die vor allem darauf achteten, dass sie keine Nachwirkungen verursachte. Dies erklärt auf diesem Stich die Anwesenheit der Magistrate im Hintergrund sowie die schriftliche Abschrift der Antworten der Angeklagten, die in der Gerichtsakte beigefügt sind.

Die Missbräuche, zu denen die Frage führte, sowie ihre zweifelhafte Wirksamkeit führten jedoch zu einem allmählichen Rückgang dieser Praxis, noch bevor sie im Namen der Aufklärung in Frankreich am Ende des 18. Jahrhunderts endgültig abgeschafft wurde.

Die Praxis rerum criminalium richtet sich in erster Linie an Juristen in Flandern (und in ganz Westeuropa) und beschreibt die verschiedenen Schritte des gerichtlichen Verfahrens - von der Entdeckung einer Straftat bis zur Vollstreckung des Urteils - und die Strafen für jedes Delikt.

 

Strasbourg, Bibliothèques de l’Université, 04-XVI-008
Praxis rerum criminalium, Josse de Damhouder, Anvers, 1562, in-quarto